Monday, November 11, 2002

DIE ZEIT: "Spart nicht so viel"

"Ökonomisch gesehen waren die alten Germanen ziemliche Dummköpfe. Zwar unternahmen sie von Zeit zu Zeit recht profitable Raubzüge auf der römischen Seite des Limes. Aber statt die erbeuteten Goldbecher gegen ein paar fette Wildschweinchen zu tauschen, bildeten sie sich ein, sie müssten vorsorgen für das Leben nach dem Tod. Weil sie nicht verarmt in Walhalla einziehen wollten, nahmen sie ihre Reichtümer mit ins Grab. Die alten Germanen wussten nicht, wie Wirtschaft funktioniert. Die neuen Germanen verstehen es auch nicht. Man sieht das an einem wenig beachteten Phänomen: Der Durchschnittsdeutsche von heute pflegt seinen Besitz - und stirbt mit einem Vermögen von 150 000 Euro. Anders gesagt, die Deutschen verhalten sich ganz ähnlich wie ihre Vorfahren vor 2000 Jahren. Sie rackern sich jahrelang ab, gehen morgens früh aus dem Haus und abends müde ins Bett, nur um einen Reichtum anzuhäufen, von dem sie zu einem großen Teil nichts haben, weil sie ihr Geld nicht ausgeben. Stattdessen helfen sie lieber den Banken und Versicherungen, den Aktien- und Immobilienfonds, den Bausparkassen und Investmenthäusern, auf deren Konten sich ihr Vermögen häuft. Warum sind die Deutschen nur so dämlich?"