Wednesday, January 15, 2003

George Ryan: "Warum ich alle Gefangenen in der Todeszelle begnadigt habe"

Mit einer spektakulären Aktion hat US-Gouverneur George Ryan seine Amtszeit beendet: Er schenkte allen 167 zur Hinrichtung bestimmten Verurteilten im Bundesstaat Illinois das Leben. Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" ließ Ryans Abschiedsrede übersetzen.

"Ich bin in Kankakee aufgewachsen, einer Kleinstadt im Mittleren Westen, in der die Menschen einander kennen. Steve Small war ein Nachbar. Ich sah ihn aufwachsen. Er hütete später gelegentlich unsere Kinder, und das war keine leichte Aufgabe, denn meine Frau Lura Lynn und ich hatten sechs, davon damals fünf unter drei Jahren. Er war ein heller Kopf und half im Geschäft seines Vaters. Er heiratete und hatte drei eigene Kinder. Lura Lynn stand ihm und seiner Familie besonders nahe. Es war gut zu wissen, daß er für uns und wir für ihn da waren. Eines Nachts im September erhielt er einen Anruf. In einem nahe gelegenen Haus, das er gerade renovierte, sei eingebrochen worden. Als er hinausging, wurde er mit Waffengewalt gekidnappt. Seine Kidnapper begruben ihn lebendig in einer Grube. Er erstickte, bevor die Polizei ihn finden konnte.

Sein Mörder führte die Polizei an die Stelle, an der Steves Leiche lag. Der Mörder, Danny Edward, stammte ebenfalls aus meiner Heimatstadt. Er wartet heute in der Todeszelle auf seine Hinrichtung. Auch seine Familie kenne ich. Ich erzähle Ihnen das, damit Sie wissen, daß ich nicht als Neubekehrter handle, der nichts von den bitteren Erfahrungen weiß, unter denen die Angehörigen von Mordopfern leiden. Meine Verantwortung und meine Pflichten gehen aber über den Kreis meiner Nachbarn und meiner Familie hinaus. Ich repräsentiere das Volk von Illinois - ob Sie das mögen oder nicht. Meine Entscheidung wird nicht nur hier, sondern in aller Welt Beachtung finden.

Kürzlich erhielt ich einen Anruf von Nelson Mandela. Ich war gerade in einem Restaurant und aß ein Sandwich mit Corned Beef. Wir sprachen gut zwanzig Minuten miteinander. Die Botschaft, die er mir vermittelte, besagte im wesentlichen, daß die Vereinigten Staaten der übrigen Welt die Standards für Gerechtigkeit und Fairneß setzen. Aber wir spielen nicht in derselben Liga wie Europa, Kanada, Mexiko oder der größte Teil Süd- und Mittelamerikas. Dort hat man die Todesstrafe abgeschafft. Wir sind Partner im Tode mit diversen Ländern der Dritten Welt. Wußten Sie, daß selbst Rußland ein Moratorium ausgerufen hat?

In zwölf amerikanischen Bundesstaaten ist die Todesstrafe abgeschafft worden, und in keinem dieser Staaten ist die Zahl der Morde gestiegen. Hier eine Zahl, die Ihnen zu denken geben sollte: Im vergangenen Jahr hatten wir in Illinois etwa 1000 Morde, und nur in zwei Prozent der Fälle ist die Todesstrafe verhängt worden. Ich wüßte gerne, was daran fair und gerecht sein soll. Die Todesstrafe wird deshalb nicht fair und gerecht verhängt, weil es für die 102 Counties des Staates keine einheitlichen Richtlinien gibt. Die Staatsanwälte entscheiden, ob sie die Todesstrafe beantragen. Darf die Geographie bestimmen, wer zum Tode verurteilt wird? Ich meine nein, aber in Illinois gibt es solche Unterschiede. In den ländlichen Regionen besteht eine fünffach höhere Wahrscheinlichkeit, daß man zum Tode verurteilt wird, als etwa hier in Cook County. Eine fünffach höhere Wahrscheinlichkeit. Wo ist da die Fairneß, wo das rechte Verhältnis?

Ich brauche nicht zu betonen, daß ich nie die Absicht hatte, mich in dieser Frage als Aktivist hervorzutun. Schon bald nach meiner Amtsübernahme erlebte ich aber mit Verwunderung und Bestürzung, wie der Todeskandidat Anthony Porter aus dem Gefängnis entlassen wurde. Als freier Mann trat er Professor Dave Protess von der Northwestern University gegenüber. Ist Dave im Saal? Ich werde nie vergessen, wie der kleine Anthony Porter dir als freier Mann um den Hals fiel, denn du hattest zusammen mit deinen Publizistikstudenten seine Unschuld bewiesen.

Anthony Porter trennten nur 48 Stunden von der Hinrichtungszelle, wo der Staat ihn töten wollte. Alles wäre sehr aseptisch abgelaufen, und die meisten von uns hätten nicht einmal Notiz davon genommen. Nur daß Porter unschuldig war. Er hatte den Doppelmord, für den man ihn zum Tode verurteilte, nicht begangen. Es ist unvorstellbar: Bei der Hälfte der nahezu 300 Todesurteile in Illinois wurde ein neues Verfahren oder eine Revision des Urteils angeordnet. Wer von Ihnen kann in seinem Beruf mit einer Genauigkeit von fünfzig Prozent leben? Dreiunddreißig Insassen der Todeszellen wurden bei ihrem Prozeß von einem Anwalt vertreten, dem man später die Zulassung entzog oder dem schon einmal zeitweilig die Zulassung entzogen worden war. Unter den 160 Todeskandidaten befanden sich fünfunddreißig Afroamerikaner, die nicht von ihresgleichen, sondern von rein weißen Jurys verurteilt worden waren. Mehr als zwei Drittel aller Todeskandidaten waren Afroamerikaner. Ich erinnere mich, wie ich mir diese Fälle ansah und mich selbst wie auch meine Leute fragte: Wie kann so etwas in Amerika geschehen? Diese Frage stelle ich nun seit drei Jahren, und bisher hat noch niemand sie beantwortet.

Wenn Sie wirklich wissen wollen, was schändlich und unerträglich ist, dann meine ich, daß siebzehn in Illinois zum Tode Verurteilte, die später freigesprochen werden mußten, nichts anderes als ein katastrophales Versagen darstellen. Unser Todesstrafensystem ist mit unerträglichen Fehlern behaftet, bei der Feststellung der Schuld wie auch des Strafmaßes.

Je näher meine Entscheidung rückte, desto mehr fragte ich mich, ob ich auch Daniel Edwards begnadigen würde - der Mann, der Steve Small, den Freund meiner Familie, getötet hat. Als ich mit meiner Frau darüber diskutierte, war sie erzürnt und enttäuscht über meine Entscheidung, wie so viele Angehörige von Opfern es sein werden. Der Zorn der Familien von Mordopfern hat mich beeindruckt. Sie appellierten an mich, die Todesstrafe beizubehalten, damit sie Frieden finden. Aber ist das der Zweck der Todesstrafe?

Ich kann mir nicht vorstellen, ein Familienmitglied durch Mord zu verlieren. Aber ebensowenig kann ich mir vorstellen, zwanzig Jahre lang in jeder wachen Stunde darauf zu warten, daß der Mörder hingerichtet wird. Das System der Todesstrafe in Illinois ist so unsicher, daß es gar nicht ungewöhnlich ist, wenn ein Fall zwanzig Jahre bis zu seinem Abschluß benötigt. Und wir können von Glück sagen, daß es so ist. Denn wenn ich auf Eile gedrungen hätte, wären Anthony Porter, Ronald Jones, Madison Hobley und andere unschuldig zum Tode Verurteilte möglicherweise längst tot und begraben.

Aus all diesen Gründen wandle ich alle ausgesprochenen Todesstrafen in Freiheitsstrafen um. Diese Umwandlung erfolgt pauschal. Ich habe selbst nicht geglaubt, daß ich es tun würde. Es ist mir klar, daß ich mir damit den Zorn und die Verachtung vieler Menschen zuziehen werde. Aber die Menschen unseres Staates haben mich gewählt, damit ich für Gerechtigkeit sorge. Meine Mitarbeiter und ich haben viele Tage und schlaflose Nächte mit der Überprüfung des Systems verbracht. Heute nacht werde ich gut schlafen, weil ich weiß, daß ich die richtige Entscheidung getroffen habe." Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15.01.2003, Nr. 12, Seite 33

Monday, January 06, 2003

Microsoft readies new Exchange - Tech News - CNET.com

Europa braucht die Türkei (aus DIE ZEIT)

Auszüge aus einem interessanten ZEIT Artikel.

"Die Türken kennen die üblichen Argumente gegen sie, die widerstreitenden Positionen, die gehegten Vorurteile und gepflegten Ressentiments: West gegen Ost, Individuum gegen Umma, Selbstbestimmung gegen Scharia, Aufklärung gegen Dunkelheit, Menschenrecht gegen Gotteswort. Sie kennen die diffuse Islamfurcht und die in Europas kulturelles Gedächtnis eingesickerte Angst vor dem Wilden, Rohen, Fremden, den säbelschwingenden Osmanen ante portas, Wien 1683, sie kennen die versöhnungsresistenten Fronten im Ringen um eine Definition dessen, was gemeinsame Kultur sein könnte und was nicht. Der Konflikt, kurzum, gipfelt in der Frage: Können Islam und Christentum koexistieren, können ihre Lebensformen einander dulden?

...

In einem Nu dann, in Ishak Alatons schnörkelloser Diktion, erhält die Frage der befürchteten Türkisierung Europas und der ersehnten Europäisierung der Türkei einen fast heiligen Ernst. „Europas Christen haben eine völlig falsche Vorstellung von der Türkei als einer vorrangig monolithisch muslimischen Einheit. Die Türkei ist in erster Linie multikulturell, dann republikanisch und zuletzt auch muslimisch. Es kümmert hier keinen, ob Frauen verschleiert oder in Miniröcken gehen oder Männer im Ramadan rauchen oder fasten. Jeder kann machen, was er will.“

Eben das ist beinahe tragisch: In der Tat konnte bisher in der Türkei nicht jeder machen, was er wollte. Aus Angst, die manche Phobie, andere Paranoia, dritte Irrsinn nennen, hat – in seiner Sehnsucht nach Verwestlichung – der türkische Staatsapparat im Namen der Zivilisation jede islamische Regung unterdrückt: Parteienverbot, Anklagewut, politischer Bann. Frauen ist es bis heute nicht erlaubt, Kopftuch in Schulen und Universitäten zu tragen oder im öffentlichen Dienst mit Kopfbedeckung zu arbeiten; die Verfassung verbietet die öffentliche Verwendung islamischer Anreden wie Hoca oder Effendi.

Jene, die für einen EU-Beitritt ihres Landes kämpfen, wissen, dass die Türkei noch nicht reif ist für Europa. Noch immer gibt es eine Willkürjustiz, allzu schnell anklagende Staatsanwälte, eigenmächtige Staatssicherheitsgerichte, Korruption. Noch immer spielt das Militär, selbst ernannter „Wächter der Demokratie“, eine aktive, unrühmliche, jedenfalls erhebliche Rolle im Staat. Noch immer werden Kinder in den Schulen nicht animiert, ihre Meinung zu äußern. Noch immer kursieren Berichte über Folter und systematische Unterdrückung politischer Opponenten, einfacher Krimineller, vor allem Kurden und auch Minderjähriger. Noch immer sind in ländlichen Gebieten Frauen in ihren Häusern eingesperrt, werden Mädchen gegen ihren Willen verheiratet. Und bis heute genießen türkische Polizisten den Ruf äußerster Brutalität.

Das alles soll sich, als groß angelegtes Plädoyer für die türkische Europareife, gleichsam aus dem Stand ändern. Ministerpräsident Abdullah Gül sagte nach seinem Amtsantritt Mitte November, seine Regierung werde die Europäische Union „mit der Umsetzung vieler Reformen schockieren“. Die Metamorphose hat bereits begonnen. Vergangenen August, unter der alten Mitte-links-Koalition Bülent Ecevits, hatte das türkische Parlament, ganz ohne Widerstand des Militärs, die so genannten Anpassungsgesetze an die EU verabschiedet und damit den „Kopenhagener Kriterien“ (freie Marktwirtschaft, Menschenrechtsschutz, Minderheitenregelung) ostentativ Folge geleistet, Ende November bereits legte die neue AKP-Regierung ein Paket von 36 Gesetzesänderungen nach. Das heißt: Abschaffung der Todesstrafe (auch in Kriegszeiten), Verbot der Folter, Ende der Straffreiheit von Polizisten, Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit, freier Gebrauch der kurdischen Sprache, Kurdischunterricht und kurdische Rundfunkkanäle. Schon 2001 ist eine Zivilrechtsreform über die Bühne gegangen, die vor allem die rechtliche Stellung der Frau verbesserte. In Polizeischulen soll darüber hinaus künftig Menschenrechtsunterricht stattfinden, Ärzten, die falsche Gutachten ausstellen, droht der Approbationsentzug. Aus europäischer Sicht ist all das selbstverständlich, aus türkischer eine hoch emotionale Selbstverwandlung. Hat sich die Türkei auf einmal zu einem demokratischen Staat im westlichen Sinne gestanzt?

...

Dilipaks Ausführungen heißen, zu Ende gedacht, dass bei einem Beitritt in die EU nicht die Türkei europäisiert, sondern Europa anatolisiert, an seine Wurzeln angeschlossen wird. Die Türkei, sagt Dilipak im Gehen, sei die letzte Chance für Europa, den erstarkenden Islam zu verstehen.

Was gewänne Europa mit der Türkei? Warum sollte man ein Volk mit vornehmlich ländlichen Strukturen, 40 verschiedenen ethnischen Identitäten und 20 verschiedenen Glaubensrichtungen als Teil einer neu zu schaffenden Identität begreifen? Man gewänne, sagen so unterschiedliche Geister wie Altan und Alaton, Dilipak und Dervi≠ gleichermaßen, neue Ideen, neue Menschenbilder, kulturelle Vielfalt; man gewänne die wertvolle Anbindung an die erstarkende islamische Gemeinschaft; man gewänne das in jeder Hinsicht bedeutsame Scharnier zum östlichen Teil der Einen Welt, die Pionierleistung einer islamischen Demokratie, als Signal an Iran, Syrien, Irak; hinzu kämen unschätzbare Gold-, Borax- und Ölressourcen. Eine europäische Türkei, so die Synthese, sei die beste Waffe gegen Angst vor dem extremistischen Islamismus.

„Sehen Sie nach Europa“, sagt Ilnur Cevik, der in England geborene Chefredakteur und Herausgeber der Turkish Daily News in Ankara, „die Gesellschaften sind im Begriff, ihre Normen zu verlieren, der christliche Glaube nimmt ja stetig ab, Werte wie Respekt vor den Alten oder der Familie verschwinden. Die Türkei könnte helfen, diese gemeinsamen Werte wieder zu stärken.“ Und über all die geostrategischen und polittaktischen Kalkulationen hinaus, heißt das schließlich, gewänne man das Östliche zurück, ohne welches das Westliche nicht denkbar ist."

Thursday, January 02, 2003

Microsoft's strategy with Active Directory and Exchange

Microsoft is changing their strategic direction with Active Directory. It's no longer supposed to be the application directory and configuration repository for everything, but will focus on authentication and providing a directory for computers and printers of a network. This is a reversal of the approach Microsoft took with Exchange 2000 - extending AD with loads of Exchange-specific schemas and storing Exchange configuration data in AD. Microsoft will provide a new directory called "AD/AM" - Active Directory Application Mode, which provides an LDAP interface and allows applications to store their configuration and directory data separately from the central company directory, but can at the same time integrate with the central company directory for authentication.

This strategy change is sort of ironic, because currently Exchange 2000 is forcing us to migrate the Exchange directory to AD, and now Microsoft discovered that this might not be such a good idea and they are working on an alternative approach ... However the Exchange 2003 (Titanium) Release is still built on AD. Btw, the Titanium release will work with Win 2000 and Win .NET. Exchange 2000 does not work with Win .NET directories.

Another interesting change is coming with Exchange Titanium Release. It will support a new replication protocol with the new Outlook 11 client that puts significantly less burden on the server and should therefore allow Exchange Server consolidation!!!

Another part of Microsofts new strategy is MMS - Microsoft Metadirectory Services. This is a SQL based database and allows replication between AD forests, AD/AM directories and foreign directories like Lotus Notes. It's possible that future versions of AD will also use SQL for storage.